Nix funktioniert! Was heißt das eigentlich?
Erwartungsdruck in der Mensch-Hund-Beziehung
Es gibt so Tage, da funktioniert mal wieder gar nix.
Der Geschirrspüler geht kaputt, die Kaffeemaschine spinnt, das Frühstücksbrot rutscht einem vom Teller… und dann geht man mit dem Hund, in der Hoffnung auf ein bisschen frische Luft und Entspannung, aber der funktioniert auch nicht. Er zieht wie ein Ochse, pöbelt wie ein Betrunkener am Hauptbahnhof und schließlich landen wir auch noch unsanft im Matsch, als er unvermittelt hinter einem Kaninchen her will. Immerhin Leine festgehalten, aber jetzt reicht’s. Hundeschule ist angesagt.
Nichts funktioniert
Das ist jetzt sicherlich satirisch etwas überzogen dargestellt, aber der Leidensdruck, der entsteht, wenn ein Hund nicht „funktioniert“, ist sehr real und alles andere als zum Lachen. In unserer Gesellschaft ist „funktionieren“ ein sehr zentrales Konzept, das nicht nur, aber auch häufig unsere Hunde ereilt. Einen Hund sollte man eigentlich nicht hören, nicht riechen, er sollte nicht alles vollfusseln (man sollte ihn also auch nicht schmecken – wer gerade mitten im Fellwechsel steckt, weiß wovon ich rede) und wenn er nicht gerade gebraucht wird, dann möchte man ihn auch nicht sehen.
Funktionieren sieht für Hunde anders aus als für Menschen
Aus Hundesicht ist ein Hund, der (möglichst erfolgreich) jagt, sein Revier verteidigt und Ressourcen verwaltet ein hochfunktionaler Typ. Uns Menschen stellt das aber vor riesige Probleme. Wir möchten eigentlich, dass der Gefährte an unserer Seite für immer Welpe bleibt. Von uns abhängig, vielleicht erhoffen wir uns auch ein bisschen Bewunderung. Und es gibt Hunde, die ticken so. Die meisten werden aber nunmal irgendwann erwachsen und sie klein zu halten. das kann man sich vorstellen, wird nicht – nunja – funktionieren…
Ich mach doch alles, aber es funktioniert trotzdem nicht
Wir alle haben bestimmte Vorstellungen davon, wie wir mit unseren Hunden zusammen sein, was wir tun und wie wir unsere gemeinsame Zeit gestalten wollen. Die Pläne wurden oft nur leider ohne den Hund gemacht. Ein Arbeitstier wird mit schnöden, immer gleichen Spaziergängen nicht sinnvoll (!) ausgelastet sein, selbst wenn die vier Stunden dauern. Ein Hund, der fremde Menschen überflüssig findet, wird vielleicht nie einsehen, warum er sie (beim Mantrailing) suchen sollte – sollen die doch bleiben wo sie sind… Ein Hund, der dafür gezüchtet wurde, eigenständige Entscheidungen zur treffen, wird nur schwer verstehen, warum er wegen jeder Kleinigkeit seinen Menschen fragen sollte.
Sowas sorgt oft für sehr viel Enttäuschung. Die Einsicht, dass das Leben mit diesem Hund, den man nun an der Seite hat, vielleicht nie so sein wird, wie man sich das erträumt hat, ist bitter.
Es muss auch nicht funktionieren
Wenn wir über „funktionieren“ sprechen, dann haben wir oft sehr starre Vorstellungen davon im Kopf, wie das wohl aussehen müsste. Aber wer schonmal mit anderen Lebenwesen gelebt oder gearbeitet hat, der ahnt es schon: Sowas ist meistens zum Scheitern verurteilt.
Oft reicht ein bisschen Flexibilität schon aus.
Das Apportieren ist so ein schönes Beispiel, das mir heute gerade wieder begegnet ist: Hund erbeutet den BeuteBeutel unter größten Mühen. Mensch verlangt relativ schnell die Abgabe desselben. Hund würde sich aber gern noch ein bisschen damit beschäftigen – ist ja immerhin hart erarbeitet. Ein Streit bahnt sich an, doch Mensch ist souverän genug zu sagen: „Ok, ich sehe, Du möchtest Dich noch etwas feiern. Dann los!“ Alle feiern und nach wenigen Sekunden dreht er selbst zu seinem Menschen ab und überreicht feierlich die gemeinsame Beute. Das war kein sauberer Apport. Hat nicht funktioniert. Und doch hat es so wunderbar funktioniert.❤️
Wir müssen übrigens auch nicht immer funktionieren
Wenn man sich die Hundewelt so anschaut, dann ist es leider immernoch so, dass von den Hunden ein riesen Maß an Funktionalität gefordert wird. Wenn ich mir unsere Hund-Mensch-Teams so angucke, dann beobachte ich oft etwas anderes. Wir dürfen jeden Tag mit so feinfühligen, engagierten Hundebesitzern arbeiten, dass wir manchmal tatsächlich mehr darauf schauen müssen, dass der Mensch nicht nur für den Hund funktioniert. Denn das kann auch passieren. Wir dürfen uns selbst, unsere Bedürfnisse und Grenzen natürlich auch nicht aus den Augen verlieren. Und ja, auch wir Menschen „funktionieren“ mal nicht so, wie wir uns das vorstellen. Das müssen wir auch nicht. Unsere Hunde verstehen das. Und ein schlechter Tag macht nicht alles zu nichte, genauso wenig wie der komplette Trainingserfolg flöten geht, wenn unser Hund an einem Stresstag mal in alte Verhaltensmuster zurückfällt.
Wichtig ist am Ende nur, dass ihr als Team funktioniert
Manchmal dürfen wir unsere Ansprüche an uns (und unseren Hund) ruhig mal runterschrauben. Es ist egal was irgendwelche Leute von uns denken. Wichtig ist am Ende nur, dass ihr ein Team seid und so, wie ihr miteinander unterwegs seid, glücklich seid. Das ist das eigentliche Ziel.
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