Komm mir nicht zu nah – Individualdistanz bei Hunden
„Mein Hund möchte nicht mit mir kuscheln, liebt er mich nicht?“
„Warum liegen meine Hunde immer so weit voneinander entfernt? Mögen die sich nicht?“
„Mein Hund weicht mir immer aus, wenn ich in seine Nähe komme, hat er Angst vor mir?“
Solche oder ähnliche Fragen begegnen uns gelegentlich im Hundeschulalltag. Natürlich kann es auf all diese Fragen ganz unterschiedliche Antworten geben, je nachdem wer da gerade vor einem steht.
Aber heute soll es um ein Thema gehen, das viele gar nicht so richtig auf dem Schirm haben: Die Individualdistanz.
Der Wunsch nach Nähe ist individuell
Bei Menschen ist uns das völlig klar: Jede Persönlichkeit hat seine Individualdistanz. Die Wohlfühldistanz, in der wir unsere Mitmenschen gerne hätten. Die ist beim einen kleiner, beim anderen größer. Natürlich dürfen enge Vertraute diese Individualdistanz auch mal unterschreiten, aber eben auch nicht ständig.
Aber was beim Menschen selbstverständlich ist, ist beim Hund oft eine große Überraschung: Ja, auch Hunde haben eine Individualdistanz, die er eigentlich gern eingehalten hätte. Manche brauchen mehr, manche weniger Raum für sich. Manche brauchen viel Nähe, anderen wird (körperliche) Nähe schnell zuviel.
Nicht jeder Hund ist ein Schoßhund
Unsere Erwartung ist oft, dass unser Hund uns viel Nähe schenkt. Vielleicht auch ausgleicht, was uns vielleicht gerade fehlt. Aber dabei laufen wir Gefahr, die Bedürfnisse unseres Hunde zu übersehen. Nicht jeder Hund möchte gern ausgiebig kuscheln.
Es gibt unterschiedliche Arten von Nähe
Ein Hund, der nicht viel Wert auf Körperkontakt legt, kann uns trotzdem unheimlich nahe sein. Und ein Hund, der ständig kuscheln will, *könnte* ein unsicheres Bindungsmuster haben und sich deshalb ständig Bestätigung holen. Die Individualdistanz eines Hundes sagt also erstmal gar nichts über die Beziehung oder die Bindung aus.
Individualdistanz gilt für Hund und Mensch
Ein Hund, der eine größere Individualdistanz braucht, wird dies auch anderen Hunden gegenüber zeigen. In einem solchen Fall wird es zum Beispiel kaum oder gar kein Kontakliegen geben. Das heißt nicht automatisch, dass die beiden nicht eine innige Beziehung führen können. Natürlich gibt es auch Hunde, die einfach nur koexistieren, aber wenn zwei Hunde ansonsten liebevoll interagieren (z.B. Fellpflege, vertrautes Spiel etc.), dann kann es sein, dass einer oder beide nur eine größere Individualdistanz brauchen. Diese wird dann in der Interaktion unter Vertrauten mal unterschritten, aber eben nur nach Einladung.
Die Rasse spielt oft eine Rolle
Sehr erwachsene und ernsthafte Hunde, wie zum Beispiel Herdenschutzhunde, Rhodesian Ridgebacks und viele Spitztypen, haben meist eine größere, wolfsähnliche Individualdistanz. Während eher infantilere Rassen wir Labradore oder einige Hütehunde, sich mehr Nähe wünschen. Trotzdem ist die Individualdistanz individuell, auch innerhalb rassespezifischer Tendenzen.
Was bedeutet das für den Alltag
Der Wunsch nach mehr Individualdistanz kann sich auf viele Arten zeigen. An der Leine sieht man zum Beispiel oft auch welche Hunde mehr und welche weniger Individualdistanz brauchen. Das kann so weit gehen, dass ein Hund, der ins enge „Fuß“ gezwungen wird, sich immer wieder davon löst, weil es ihm einfach zu nah ist. Mit ein wenig mehr Abstand läuft derselbe Hund dann manchmal ohne Probleme an lockerer Leine.
Aber auch im heimischen Umfeld sorgt die Wahrnehmung der Bedürfnisse des Hundes – und in diesem Fall bedeutet das eben die Wahrung der Individualdistanz – für wesentlich mehr Nähe und Vertrautheit.
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